Beschlussvorlage - RDG/BV/VL-24/801
Grunddaten
- Betreff:
-
Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage
- Federführend:
- Verwaltungsleitung - Bürgermeister
- Bearbeiter:
- Martina Hilpert
- Verantwortlicher:
- Herr Huth
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Hauptausschuss
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Vorberatung
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Geplant
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Stadtvertretung Ribnitz-Damgarten
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Entscheidung
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24.04.2024
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Beschlussvorschlag
Beschluss-Nr. RDG/BV/VL-24/801
Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens
Die Stadtvertretung Ribnitz- Damgarten beschließt:
Der durch die Herren Steffen Lott, Burkhard Drechsler und Dr. Steffen Schmidt vertretene Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheides nach § 20 KV- MV zu der Frage:
Soll sowohl eine Veräußerung als auch eine Belastung mit einem Erbbaurecht der im Eigentum der Stadt Ribnitz-Damgarten stehenden, im Gebiet des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes der Stadt Ribnitz-Damgarten Nr. 109 „Sondergebiet touristische Entwicklung Halbinsel Pütnitz“ gelegenen Grundstücksflächen ausschließlich erfolgen, wenn die Erwerber/durch das Erbbaurecht Begünstigten (im Folgenden insgesamt als Erwerber bezeichnet) sich rechtswirksam dazu verpflichten, alle nachfolgend unter a. – g. benannten, der Stadt Ribnitz-Damgarten entstandenen oder noch entstehenden Kosten, jeweils in Höhe nach dem Verhältnis zwischen der jeweiligen Erwerbsfläche/mit Erbbaurecht belasteten Fläche und der Gesamtfläche der zuvor genannten Grundstücksflächen zu übernehmen?
Planungs-, Gutachten- und Durchführungskosten sind:
a. Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 109,
b. Beräumung von Kampfmitteln, Altlastensanierung und Beseitigung schädlicher Bodenveränderungen auf dem künftigen Bebauungsplangebiet,
c. Abbrucharbeiten vorhandener Start- und Rollbahnen sowie anderer versiegelter Flächen und Gebäude auf dem künftigen Bebauungsplangebiet,
d. äußere und innere straßenmäßige Erschließung des künftigen Bebauungsplangebietes, inkl. der Umgehungsstraße Damgarten sowie des gesamten Straßen- und Wegenetzes auf solchen Flächen des künftigen Bebauungsplangebietes, die von der Stadt Ribnitz-Damgarten nicht veräußert/mit einem Erbbaurecht belastet werden,
e. leitungsgebundene Erschließung des künftigen Bebauungsplangebietes (Wasser, Abwasser, Strom, Wärme, Telekommunikation, Internet),
f. naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen und Maßnahmen des Artenschutzes,
g. Ausgleichsmaßnahmen nach dem WaldG MV wie Waldausgleichsmaßnahmen und Ersatzaufforstung.
wird als unzulässig abgelehnt.
Sachverhalt
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 20 KV M-V sind aus mehreren Gründen nicht gegeben.
Mit Blick auf die allgemeinen Anforderungen muss das Bürgerbegehren notwendigerweise eine Begründung enthalten, vgl. § 20 Abs. 5 Satz 1 KV M-V. Hierdurch sollen die Bürger die Möglichkeit erhalten, in Grundzügen zu erfahren, wieso eine bestimmte Frage zur Abstimmung gestellt werden soll. Zudem sollen sie sich mit den Zielen des Bürgerbegehrens und den damit verbundenen Problemen auseinandersetzen. Insoweit ist aber nicht nur das Erfordernis der Begründung geregelt – in der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Begründung verfassungsrechtlich gewisse Mindestanforderungen hinsichtlich ihrer Richtigkeit erfüllen muss. Dazu gehört, dass der Gemeindebürger durch den vorgelegten Begründungstext nicht in wesentlichen Punkten in die Irre geführt wird, vgl. u. a. BayVGH, Urteil vom 04.07.2016 – Az. 4 BV 16.105.
Des Weiteren muss die Frage, die durch das Bürgerbegehren bei einem Bürgerentscheid mit JA oder NEIN beantwortet werden soll, klar die Ziele erkennen lassen, eindeutig und verständlich sein, keine suggestiven Elemente beinhalten und nicht aus ihrer Komplexität heraus ein großes Rechercheerfordernis für den Bürger nach sich ziehen. Es muss für den Bürger gewährleistet sein, dass beim Unterzeichnen des Bürgerbegehrens die Konsequenzen seines Handelns voll zu überblicken sind.
Vorliegend fehlt es bereits an der für die Zulässigkeit notwendigen Klarheit der Frage bzw. handelt es sich nicht um eine wichtige Entscheidung in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises.
Durch die Begründung wird die ohnehin durch die Länge unübersichtliche Frage noch unklarer. In der Begründung wird darauf abgestellt, („Ohne eine Übernahme der benannten Kosten durch die Erwerber müssten die Kosten grundsätzlich von der Allgemeinheit [Bürger von Ribnitz- Damgarten und in Höhe der Fördermittel von allen Steuerzahlern] getragen werden.“), dass hier Infrastrukturförderung zu Gunsten der Ansiedlungswilligen in einem Gewerbegebiet erfolgt. Die Fragestellung, ob eine Förderung des Landes MV zweckdienlich oder sinnvoll ist, ist einem Bürgerbegehren nach § 20 KV-MV jedoch nicht zugänglich. Es handelt sich bei der Förderpolitik des Landes MV nicht um eine „wichtige Entscheidung des eigenen Wirkungskreises“ (§ 20 Abs. 1 KV- MV) der Kommune. Ihr fehlt an dieser Stelle die Entscheidungsbefugnis (vgl. Glaser in „Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes MV“ § 20 RZ 2-4). Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Begründung genau so gemeint ist. Entscheidend ist, dass die Fragestellung in Zusammenhang mit der Begründung auf jeden Fall so unbestimmt ist, dass sich diese Auslegung aufdrängt. Daher ist ein solches Bürgerbegehren entweder aufgrund der Unklarheit oder aufgrund des Mangels an „wichtige Entscheidung des eigenen Wirkungskreises“ unzulässig.
Vor diesem Hintergrund kommt auch dem Erfordernis des Kostendeckungsvorschlages nach § 20 Abs. 5 S. 1 seine besondere Bedeutung zu. Er hat dem Bürger die Zweck-Mittel-Relation nachvollziehbar nahezubringen (vgl. Glaser in „Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes MV“, § 20, RZ 2-12).
Nach § 20 Abs. 5 S. 1 KV M-V muss das Bürgerbegehren einen durchführbaren Vorschlag zur Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten. Der Kostendeckungsvorschlag besteht aus zwei Elementen, nämlich aus der Kostenangabe und dem eigentlichen Deckungsvorschlag. Das Erfordernis eines Deckungsvorschlages bewirkt, dass die Bürger und Bürgerinnen sich darüber Klarheit verschaffen müssen, welchen Aufwand die gewünschte Maßnahme erfordert, welche Mittel-Zweck-Relation sich daraus ergibt und ob insofern die Maßnahme für die Gemeinde finanziell tragbar ist. Für einen hinreichenden Kostendeckungsvorschlag genügend, aber auch erforderlich, ist, dass über die geschätzte Höhe der anfallenden Kosten und die Folgen der Umsetzung der Maßnahme für den Gemeindehaushalt überschlägige, aber schlüssige Angaben gemacht werden. Auch diesen Anforderungen wird das vorliegende Bürgerbegehren nicht gerecht.
Weiterhin unzulässig ist das Bürgerbegehren nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 und 4 KV M-V.
§ 20 Abs. 2 Nr. 3 KV M-V regelt, dass Bürgerentscheide für Entscheidungen im Rahmen des gemeindlichen Haushaltswesens nicht stattfinden. Das heißt, dass haushaltsrelevante Entscheidungen dem Bürgerentscheid entzogen sind.
Das durch das Bürgerbegehren verfolgte Ziel hätte immense Haushaltsrelevanz. Allein im laufenden Haushalt sind fast 7 Mio. Euro für Teile der im Antrag auf Bürgerentscheid benannten Kostenpositionen eingestellt, beschlossen und teilweise auch ausgegeben.
Bereits aus dieser Haushaltsrelevanz ergibt sich nach § 20 Abs. 2 Nr. 3 KV M-V die Unzulässigkeit eines Bürgerbegehrens.
An dieser Stelle ist es von Bedeutung, die haushälterischen Auswirkungen des durch den Antrag verfolgten Ziels zu beleuchten.
Ein wichtiger Bestandteil des Sachverhaltes ist die Tatsache, dass der gutachterlich festgestellte Grundstückswert der in Frage stehenden Flächen nach Beräumung und Bauleitplanung immer noch deutlich unterhalb der Kosten für die Säuberung und Beräumung liegt. Das bedeutet, dass ein Gutachten zum Wert im nicht beräumten Zustand zu einem negativen Grundstückswert käme. Das wiederum bedeutet, dass Einnahmen der Stadt Ribnitz- Damgarten in zweistelliger Millionenhöhe nicht erfolgen würden, wenn die Flächen nicht mit den vom Land MV bereitgestellten Fördermitteln beräumt würden. Der Ansatz des Antrages, die Kosten der Beräumung den Erwerbern zu übertragen statt durch die dafür gewährte Förderung zu realisieren, hätte demnach einen immensen Schaden für die Stadt Ribnitz- Damgarten. Noch sehr viel höher wäre der Schaden, wenn dieser Ansatz des Antrages dazu führen würde, dass die potentiellen Erwerber, da sie mehr für die Grundstücke aufwenden müssten, als diese objektiv wert sind, von dem Erwerb Abstand nehmen würden. Dann würde unter Umständen das Förderziel des Wirtschaftsministeriums zur Förderung des Maritim-Touristischen Gewerbegebietes wegfallen. Das hätte den Verlust der Förderung zur Folge. Was dann aber noch bestehen bleiben würde, wäre die Munitions- und vor allem Altlastensituation in dem besagten Gebiet, die als zu lösende Aufgabe der Stadt bestehen bleiben würde. Dies würde dann aber ohne Förderung den städtischen Haushalt unserer Stadt mit zweistelligen Millionenbeträgen belasten. Dies würde die Stadt finanziell bei weitem überfordern.
Die entstehenden Kosten aus dem in Rede stehenden Antrag würden sich demnach, je nach Verlauf, zwischen ca. 14 und 40 Mio. Euro belaufen. Bei einem Rückzahlungserfordernis der Fördermittel würde sich der Schadensbetrag um weitere ca. 10 Mio. € erhöhen. Dieser Fakt ist bei der Beurteilung des Kostendeckungsvorschlages aus dem Antrag zu berücksichtigen.
Auch die Beurteilung, ob eine Unzulässigkeit aus § 20 Abs. 2 Nr. 4 KV M-V vorliegt, hängt mit dem Vorgesagten zusammen. Der Aufstellungsbeschluss zum B-Plan wurde durch die Stadtvertretung erst gefasst, nachdem die Förderung des Landes für die Munitionsbergung, Altlastensanierung und äußere Erschließung beschieden wurde. Die Förderung war notwendige Bedingung für den Aufstellungsbeschluss. Jetzt diese Förderung in Frage zu stellen, ist gleichbedeutend mit einem Antrag, den Aufstellungsbeschluss aufzuheben, was nach § 20 Abs 2 Nr. 4 durch einen Bürgerentscheid unzulässig ist.
Die Ausführungen aus der Begründung des Antrages zum Kostendeckungsvorschlag der Antragsteller suggerieren, dass der Kommune durch das vom Antrag verfolgte Ziel kein nennenswerter finanzieller Aufwand entsteht. Das Gegenteil ist wie oben beschrieben der Fall. Daher ist der Antrag wegen des fehlenden Kostendeckungsvorschlags unzulässig und zudem ist der Abschnitt aus dem Antrag zum Kostendeckungsvorschlag geeignet, die gebotene Transparenz und Klarheit einer Bürgerentscheidsfrage und der entsprechenden Begründung weiter zu negativ zu beeinflussen.
Aus dem Vorgesagten folgt aus mehreren Gründen die Unzulässigkeit des Antrages.
Die Prüfung der eingereichten Unterschriftenlisten auf Anzahl und Gültigkeit hat ergeben, dass die für ein Bürgerbegehren gemäß § 20 Abs. 5 KV M-V benötigten 10 % der Bürgerinnen und Bürger erreicht sind.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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